Die Berechenbarkeit der Welt und die Vorhersage der Zukunft stehen seit jeher im Zentrum unserer Wissenstechniken. Aus Mustern, die wir erkennen lernen, leiten wir ab, was wieder oder als Nächstes passieren wird. Es entstehen berechnete komplexe Modelle: Geht die Sonne morgen wieder auf? Wie wird das Wetter? Wie verhalten sich die Himmelskörper? Bis hin zu: Wie gestalten sich Finanzmärkte? Wie entwickelt sich die Erderwärmung? Wie geht eine Wahl aus? usw. Vorhersagen sind überlebenswichtig. Eingebettet in weitreichende und hochkomplexe Simulationsmodelle, arbeiten Algorithmen nicht nur an der Prognose und Prädiktion der Zukunft, sondern an der Produktion von Wirklichkeit. Es klingt dystopisch: KI bestimmt schon heute unser Leben. Was das bedeutet, ist weniger beängstigend: So vermeiden wir Staus, erkennen wir Krebs und andere Krankheiten früher, lernen mehr über die Ausbreitung von Treibhausgasen oder analysieren Hate Speech im Internet, um ausländerfeindlichen Übergriffen entgegenzuwirken ... Allerdings ist jedes mächtige Werkzeug auch missbrauch- und manipulierbar. Es ist schwer vorherzusagen, wohin sich KI dahingehend entwickelt. Um vernünftig und ethisch damit umzugehen, sind neue Werte gefragt.
The computability of our world and the prediction of the future have always been at the center of our knowledge techniques. We learn to recognize patterns and deduce what will be repeated or happen next. Complex computed models emerge: will the sun come up again tomorrow? How will the weather be? How do celestial bodies behave? How do financial markets develop? What about global warming? Who will win an election? Predictions are essential for survival. Embedded in extensive and highly complex simulation models, algorithms work not only on forecasting and predicting the future but also on producing reality. It might sound dystopic, but AI already deter- mines our lives. What this means is less alarming than it sounds: this is how we avoid traffic jams, diagnose cancer and other diseases much earlier, learn more about the propagation of greenhouse gases, and analyze hate speech on the Internet to counteract racism... Nevertheless, every power- ful tool is prone to abuse and manipulation. It is hard to predict where AI is going. In order to handle it in a rational and sensible way, new values are required.
Is this AI?Flow chartKaren HaoMIT Technology Review, 2018www.technologyreview.com
Wir werden heute ZeugInnen davon, wie KI das Lernen lernt. Begriffe wie „Deep Learning“ und „Reinforcement Learning“ sind allgegenwärtig und doch verstehen wir kaum, was damit gemeint ist. KI lernen derzeit einzelne Fähigkeiten in übermenschlicher Geschwindigkeit und Perfektion, sind aber auf allen anderen Gebieten absolut unfähig. Die Vernetzung verschiedener Fähigkeiten steht daher im Fokus. Auch wenn wir versuchen, Computersysteme nach unserem Geist zu modellieren, lernen sie anders als wir. Vor allem deswegen, weil wir selbst nicht genau wissen, wie wir denken und lernen. Auswendiglernen, kontextuelles Lernen, das Sammeln von Erfahrungen, implizites Wissen, kulturelle wie traditionelle Aneignungen – jeder dieser Vorgänge funktioniert anders und gehört auf die eine oder andere Weise zusammen. Infolgedessen befinden wir uns momentan an einem so interessanten Punkt: Menschen und Technologien beginnen, voneinander zu lernen. Das bedeutet auch für die Ausbildung – vom Kindergarten über die Schule zur Lehre oder Universität – neue Herausforderungen und Möglichkeiten. Welche ethischen, gesellschaftlichen Werte lernen und vermitteln wir – und mit welchen Werten lernt eine KI?
Today we are witnessing how AI is learning to learn. Terms like “Deep Learning” and “Reinforcement Learning” are widespread, yet we hardly understand what they mean. Currently, AI is learning particular skills at superhuman speed and with superhuman perfection while remaining totally inept on other fields. This is why the focus is on networking diverse skills. Even if we try to model computer systems after our mind, they learn in different ways from us—mainly because we ourselves do not quite understand how we think and learn. Memorizing, contextual learning, gaining experience, using implicit knowledge, cultural and traditional appropriation—each of these processes functions differently, and yet they are all connected. As a result, we are at a very interesting point in time: humans and technologies are beginning to learn from each other. This produces new challenges and possibilities for education—from kindergarten to schools to apprenticeships and universities. Which ethical and social values do we learn and teach—and what are the values AI is using to learn?
The Evolution of Machinic IntelligenceMatteo Pasquinelli, 2016Courtesy of Matteo Pasquinelli, Professor für Medientheorie, Staatliche Hochschule für Gestaltung KarlsruheProfessor in Media Theory, Karlsruhe University of Arts and Design
Künstliche Intelligenz gibt dem Design neue Werkzeuge in die Hand. Aus dem Zusammenspiel von Mensch und Maschine entstehen seit jeher neue Ideen und neue Kreativität. Mit dem Einsatz von KI im Designprozess gehen wir über die Grenzen menschlicher Vorstellungskraft hinaus: Neue Formen und Funktionen, neue Fonts, neue Emotionen können durch künstlich intelligente Designer entstehen. Aber auch was Design heißt, verändert sich momentan maßgeblich: Design gestaltet sich selbst, wie auch KI ihre eigene Entwicklung mitdenkt. Gleichzeitig greifen KI-gestützte Designprozesse auch in andere Felder ein – so etwa in chemisches, geologisches, biologisches oder genetisches Engineering.
Artificial Intelligence is providing new tools for design. New ideas and creativity have always sprung from the interplay of human and machine. By employing AI in design processes, we go beyond the boundaries of human imagination: new forms and functions, new fonts, new emotions can be created by artificially intelligent designers. At the same time, the very definition of design is currently undergoing a decisive transformation: design designs itself, just as AI is thinking its own evolution. Simultaneously, AI-based design processes are influencing other fields such as chemical, geological, biological, and genetic engineering.
An Incomplete Media History of AI, 2019by Paul Feigelfeld & Christoph Engemann
Unsere Welt ist längst auch eine technologische. Nicht nur Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere, Menschen usw. nehmen die Welt wahr und wirken auf sie zurück, auch Technologien – von kleinsten Messzellen über jedes Smartphone mit Mikro und Kamera, bis hin zu großen Messstationen – „spüren“ sie und uns in ihr. Basierend auf all diesen Daten, versuchen wir uns im Nebeneinander von uns vertrauten Systemen und künstlichen Intelligenzen zurechtzufinden und zu organisieren. Wir planen Städte und Straßen, Schiffsrouten auf dem Ozean, Felder für die Agrarwirtschaft, messen und steuern Emissionen; erkennen Gesichter mit Kameras, tracken Walpopulationen unter dem Meer, indem wir sie hören ... KI ist in der Lage, Dinge zu spüren und wahrzunehmen, die unseren Fähigkeiten ent- gehen. Sie ist jedoch kein sechster Sinn – vielleicht aber ein siebter oder achter? Welche Entscheidungen trifft sie basierend auf ihren Erkenntnissen? Welche Autonomien und Freiheiten sollten wir ihr dahingehend zugestehen oder müssen wir ein- schränken? Wo und wie erkennen wir ihre Fehler, oder sie unsere? Wie arbeiten, denken und spüren wir zusammen, auf einer globalen Skala?
Our world has long been a technological one. Not only do microorganisms, plants, animals, humans, etc. perceive the world and interact with it; technologies—from the smallest sensors, to smartphones with microphone and camera, to big survey stations—also “sense” the world and us in it. Using all this data, we try to find our way and organize ourselves in familiar systems and artificial intelligences that exist in parallel. We plan cities and streets, shipping routes on the ocean, fields for farming; we measure and control emissions, recognize faces with cameras, track whale populations under the sea by listening to them ... AI is capable of sensing things that escape our perception. It is no Sixth Sense—but maybe a seventh or an eighth? What decisions does it make based on its insights? What autonomies and liberties should we grant or deny it? Where and how do we recognize its mistakes, or it ours? How do we work, think, and sense together on a global scale?
AusstellungsansichtExhibition view
Welche Sprache sprechen künstliche Intelligenzen? Können wir überhaupt von Sprache sprechen? Heute trainieren wir sie darauf, uns zu verstehen, zu antworten und zu übersetzen. Aber was heißt Verstehen? Wo verlaufen die Grenzen zwischen sogenannten natürlichen Sprachen und künstlichen? Schon lange versuchen wir, Technologien das Sprechen zu lernen, auch um irgendetwas von ihnen zu erfahren, zum Beispiel über uns. Früher waren es Orakel, aus denen wir lasen. Zauberformeln wurden schließlich zu mathematischen Formeln, Zaubersprüche zu Algorithmen. In der Mitte des 20. Jahrhunderts versuchte der Turing Test, Mensch von Maschine zu scheiden. Die Frage war: Wer schafft es, den anderen zu täuschen? Wie einfach Menschlichkeit zu suggerieren ist, zeigten frühe Chatbots wie ELIZA. Heute sind die sprachlichen Fähigkeiten von KI ausgereifter, aber wei- terhin ziemlich simpel. Dennoch haben wir längst begonnen, in einen Dialog zu treten.
What language does AI speak? Can we even speak of speaking? Today, we train AI to understand us, to respond to and translate us. Then again, what does it really mean: to comprehend? Where are the boundaries between so-called natural languages and artificial ones? We have been trying to teach technologies to speak for a long time in order to learn something from them—for instance about ourselves. In the past, we read from oracles. Magic formulas became mathematical ones, spells and hexes begot hexadecimal algorithms. Around the mid-twentieth century, the Turing Test tried to differentiate between human and machine. The question was: who is able to trick the other? Early chatbots like ELIZA showed how easy it is to fake humanity. Today the language capabilities of AI have grown, but they are still relatively simplistic. Yet we have long begun to enter into dialogue.
Inhalte der Wandgrafiken und Texte in der Ausstellung/Content of all thematic texts in the exhibition:
LEBEN/LIFE • GEFÜHLE/EMOTIONS • POLITIK/POLITICS • GLAUBE, RELIGION, SPIRITUALITÄT/BELIEF, RELIGION, SPIRITUALITY • ZUKUNFT/FUTURE • WIRTSCHAFT/ECONOMY • MOBILITÄT/MOBILITY • ARBEIT/WORK • GEMEINGUT/COMMONS • SPEZIES/SPECIES • ÖKOLOGIE UND NATUR/ECOLOGY AND NATURE • GESUNDHEIT/HEALTH • FORSCHUNG/RESEARCH • KRIEG/WAR • SICHERHEIT/SECURITY • SEX, LIEBE, INTIMITÄT/SEX, LOVE, INTIMACY • PORNOGRAFIE/PORNOGRAPHY • DENKEN/THINKING • SPRACHE/LANGUAGE • KULTUR/CULTURE • DAS UNHEIMLICHE/THE UNCANNY